16.10.20 – Interview mit Georg Dieners, Oeko-Tex

Treibt Corona umweltfreundliche Prozesse voran?

Die Corona-Pandemie betrifft die ganze Welt und ist eine enorme Herausforderung für die Textilbranche. Was sagt Oeko-Tex-Generalsekretär Georg Dieners dazu? Ein Gastbeitrag von textile network-Chefredakteurin Iris Schlomski

Georg-Dieners-Oeko-Tex.jpg

„Die Textilbranche steht vor einem großen Umbruch und wir als Oeko-Tex Association sind mehr denn je als Berater und Partner unserer Kunden gefragt“, Oeko-Tex Generalsekretär Georg Dieners. © Oeko-Tex

 
Oeko-Tex.jpg

© Oeko-Tex

 
Alle Bilder anzeigen

textile network: Corona und Nachhaltigkeit – wird die Branche nun schneller umweltfreundlicher produzieren?

Georg Dieners: Die Corona-Pandemie bedeutet für jeden Einzelnen, für die Staatengemeinschaft und die Wirtschaft eine der größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte.Die Textilbranche steht wie viele andere Wirtschaftszweige vor einem großen Umbruch und globalen Herausforderungen. Digitalisierung, Umweltschutz, Globalisierung – diese Schlüsselwörter im sozialen und politischen Diskurs der letzten Jahre gilt es, gerade in diesen Zeiten nicht aus den Augen zu verlieren.

Vielmehr müssen sie in einen neuen Kontext gesetzt werden, der es uns ermöglicht, die Pandemie als einen Weckruf für grundlegendes Umdenken und notwendige Verhaltensänderungen zu begreifen.

  • Solidarität, Verantwortung, Kreativität und Mut sollten Treiber eines neuen Denkens und Handelns sein.

textile network: Die Krise als einzigartige Chance auf Veränderung zum Besseren. Große Sorgen in der Branche wegen der Konsumflaute in der Mode – was bedeutet das für Oeko-Tex?

Georg Dieners: Die Textilbranche steht vor einem großen Umbruch und wir als Oeko-Tex Association sind mehr denn je als Berater und Partner unserer Kunden gefragt. Konsumenten werden zukünftig noch genauer abwägen, wie und was sie kaufen. Um diese Kaufentscheidungen zu erleichtern, müssen Marken Transparenz über ihren gesamten Produktionsprozess liefern, vom Lieferanten bis zum Hersteller.

  • In der Vergangenheit hat sich bei Krisen bisher immer gezeigt, dass Zertifizierungen Vertrauen schenken und somit eine wichtige Größe sind.

textile network: Sind die Unternehmen aktuell bei Zertifizierungen eher zurückhaltend oder erkennen Sie darin Chancen, sich am Markt besser zu behaupten?

Georg Dieners: Die Krise hat den gesellschaftlichen Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit massiv vorangetrieben. Konsumenten werden zunehmend kritischer und hinterfragen Produktions- und Vertriebsprozesse. Daher können Kaufentscheidungen der Konsumenten natürlich durch eine größtmögliche Transparenz und Glaubwürdigkeit der Unternehmen erleichtert werden. Das wissen auch die Unternehmen.

  • Umwelt- und Sozialsiegel dienen als eine Art Vermittler, der Orientierung und Information bietet und letztendlich der Schlüssel zum Herzen des Konsumenten darstellt.

textile network: Wie bewerten Sie das Engagement der Bundesregierung bezüglich des Grünen Knopfs?

Georg Dieners: Oeko-Tex begrüßt jede Initiative, die zu einer gesteigerten Aufmerksamkeit für die Herausforderungen in der Textilindustrie führt. Grundsätzlich verfolgen Oeko-Tex und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das gleiche Ziel: eine nachhaltige und transparente Textilproduktion sowie eine Orientierung für den Konsumenten. Dafür wurde „Made in Green by Oeko-Tex“ bereits 2015 entwickelt. Insofern waren wir auf dem Segment einer der Vorreiter und entwickeln „Made in Green“ seitdem stetig weiter.

  • Das Label „Made in Green“ schreibt sehr umfassende Kriterien für die Lieferketten vor und dient bei der Auszeichnung mit dem Grünen Knopf als Nachweis über die Erfüllung der geforderten Kriterien.

textile network: Gibt es auch Gewinner der Corona-Pandemie in unserer Branche?

Georg Dieners: Die Pandemie ist eine globale Herausforderung auf sehr unterschiedlichen Ebenen der Gesellschaft, aber es kann und muss deshalb auch globale Antworten geben. Gemeinsam entwickelte, neue Konzepte und Strategien, um Herausforderungen für Gesellschaft und Umwelt besser zu meistern, kann ein Gewinn sein. Sicherlich ist hierbei die Digitalisierung als eines der wichtigsten Elemente für die Zukunft zu nennen.

Herr Dieners, vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen für textile network stellte Iris Schlomski.