11.04.23 – Zukunft des Einkaufens
Neue Mitarbeiterprofile für den Handel
Der stationäre Handel verändert sich, Shopping wird immer mehr zur Freizeitbeschäftigung. Das bedingt auch vollkommen andere Mitarbeiterprofile, wie unser Gastautor Frank Rehme erläutert.
Der Kunde ist in den letzten Jahrzehnten von den Veränderungen in Handel und Gesellschaft zu einem absoluten Professional ausgebildet worden. Er ist hochgerüstet mit Informationen, Können und einer Vorstellung, wie Handel zu sein hat. Zudem bringt er Konditionierungen aus anderen Branchen mit, die im Kontakt mit dem Handel neue Erwartungshaltungen generieren.
Diese professionellen Kunden stehen nun vor unserem Personal, das (wenn überhaupt) eine Ausbildung genossen hat, die diese Art von Kunden nicht berücksichtigt hat. Das Personal muss vollkommen neue Kenntnisse im Bereich der Aktivierung von Kunden lernen. Zwar sieht der Ausbildungsrahmenplan für die Berufsausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel/zur Kauffrau im Einzelhandel bereits im ersten und zweiten Ausbildungsjahr einige Themen in diesem Bereich vor, allerdings müssen diese deutlich vertieft werden. Die meisten Kunden sind im Bereich Warenkunde durch das Internet heute mit vielen Informationen versorgt, zudem geschieht der Generationswechsel der Sortimente gerade im Non Food Bereich in einer atemberaubenden Geschwindigkeit.
Wunsch nach sozialer Interaktion
Viele Umfragen zeigen, dass der stationäre Handel zukünftig vermehrt den Wunsch nach sozialer Interaktion befriedigen muss. Menschen lieben Menschen, das wird auch immer so bleiben. Zukünftig werden die Mitarbeiter am POS ein entscheidender Erfolgsfaktor werden, denn hohe Investitionen in Ladenbau, Digitalisierung oder Architektur sind nutzlos, wenn diese nicht durch erstklassig ausgebildetes Personal flankiert werden.
Individuelle Fortbildung statt „one fits all“
Was ist zu tun? Generell muss sich jeder Zweig des Handels über individuelle Mitarbeiterschulungen Gedanken machen. Es gilt viele neue Aufgaben zu vermitteln, die von dem aktuellen Rahmenausbildungsplan nicht abgedeckt werden. Wir haben einige unserer Empfehlung aufgelistet: Aktuelle Erkenntnisse aus dem Bereich der Hirnforschung müssen übersetzt werden. Was passiert in der Sekunde der Kaufentscheidung im Gehirn des Menschen, wie kann man diese Zusammenhänge praxisgerecht vermitteln? Was sind Handlungsmotive und wie aktiviert man diese in einem Verkaufsgespräch? Welche aktuellen Erkenntnisse wie z. B. die Limbic Map stehen zur Verfügung und wie wertet man diese aus?
Empathie und Intuition
Dialektik- und Kommunikationstraining ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, der deutlich zum Kauferlebnis beiträgt. Dazu gehört auch die Entwicklung von Empathie und Intuition, um sich besser in den Kunden hinein versetzen zu können. Im Backofficebereich müssen neue Berufsfelder entstehen, speziell für den Bereich Business Intelligence und Big Data. Verwertbare Antworten bekommt derjenige, der die passenden Fragen stellt und nicht wer die meisten Daten hat. Kenntnisse aus dem Bereich Datenmodellierung, Mathematik/Statistik und Retail sind in neuen Berufsbildern zusammenzuführen.
Die konditionierte Erwartungshaltung der Kunden wird diese Entwicklung beschleunigen. Das heißt an anderer Stelle aber auch, dass neue Vergütungsmodelle entstehen müssen, die mehr auf Konversion als auf Festgehalt basieren – ein spannendes Thema daher auch für Gewerkschafter. Bildung in Mitarbeiter wird zukünftig ein entscheidender Erfolgsfaktor, den sich niemand mehr entziehen kann.