17.02.21 – Corona-Lockdown
Händler brauchen Perspektiven
Die aktuelle Situation ist für viele Händler dramatisch. Der Handelsverband Deutschland (HDE) fordert deshalb, angekündigte Verbesserungen rasch umzusetzen.
Normalerweise tummeln sich nachmittags in Bamberg, dem Verlagssitz von baby&junior, viele Menschen in der Innenstadt: Kollegen, die sich nach der Arbeit zum Kaffeetrinken treffen, Freundinnen, die zum Bummeln verabredet sind, oder Familien, die kleine Erledigungen machen. Doch jetzt ist die Innenstadt leer – gespenstisch leer. So wie in Bamberg sieht es in vielen Orten aus – und wie es nach dem zweiten Lockdown weitergeht, ist unklar. Deshalb fordert der HDE einen klaren Fahrplan zur Wiedereröffnung der Geschäfte und eine Anpassung der staatlichen Hilfen: „Die geschlossenen Handelsunternehmen brauchen jetzt klare Aussagen, unter welchen Bedingungen sie wann ihren Betrieb wieder aufnehmen können“, erklärt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
Planungen fallen vielen Handelsunternehmern schwer: „Uns treffen der Lockdown und die ewige Verlängerung hart. Gerade auch, weil von der Regierung gesagt wurde, dass es eine Ladenschließung nicht erneut geben wird. (…) Wir haben unser Geschäft mit so viel Liebe und Herzblut aufgebaut und müssen jetzt bangen. Immer mehr Läden schließen, weil die Kraft und das Vertrauen im zweiten Lockdown nicht mehr da sind“, berichtet uns Mona Fatty, Inhaberin von Söhne & Töchter in Hamburg. Eine aktuelle Trendumfrage des HDE vom 4. Januar 2021 unter mehr als 700 Händlern zeigt, dass sich bereits knapp zwei Drittel der Innenstadthändler in Existenzgefahr sehen. Drei Viertel der Händler geben an, dass die staatlichen Hilfen nicht ausreichen, um eine Insolvenz abzuwenden. In einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel machte der HDE deutlich, dass sich der Handel in der Coronakrise alleingelassen fühle (baby&junior berichtete online).
Staatliche Hilfen reichen nicht aus
„Wie auch bei den Restaurant- und Kulturbetrieben trifft die Schließung des Einzelhandels eine Branche, in der die Einkommen eher niedriger sind. Meine Mitarbeiterinnen sind wieder in Kurzarbeit. Die von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Hilfen finde ich einen Witz. Ich habe das Gefühl, dass der kleine und mittlere stationäre Einzelhandel die Politik nicht interessiert“, sagt Stephanie Krant von Emil & Evelinchen Kindermoden in Berlin. Auch aus Sicht des Handelsverbandes sei es dringend notwendig, dass die Bundesregierung die Hilfsprogramme wie vorgesehen anpasst.
Für den von der Krise hart getroffenen Modehandel steht dabei die Möglichkeit der Abschreibungen von Saisonware im Mittelpunkt. Künftig soll so beispielsweise der Einkaufspreis der im anstehenden Frühjahr nicht mehr verkäuflichen Winterware bei der Antragsstellung für Überbrückungshilfe zu den Fixkosten gerechnet werden dürfen. Weiterhin sollte die Obergrenze des Jahresumsatzes auf 750 Mio. Euro angehoben werden. Nach Angaben des Verbandes erhielt der gesamte Einzelhandel im vergangenen Jahr Überbrückungshilfen in Höhe von 90 Mio. Euro. Dem aber steht ein Umsatzminus von 36 Mrd. Euro im selben Zeitraum gegenüber. Die staatlichen Hilfen reichten bei den betroffenen Händlern oft nicht einmal für die Begleichung der Fixkosten. Der HDE beziffert diese mit rund 12 Mrd. Euro.
Alternative Vertriebswege
Um wenigstens noch etwas Umsatz zu erzielen, nutzen mehr als 80 % der vom Lockdown betroffenen Händler alternative Vertriebswege – darunter auch Stephanie Krant: „Um den Kontakt zu meinen Kunden zu halten, habe ich zum Jahresbeginn Postkarten verschickt und schon gutes Feedback bekommen. Die Kunden können mich anrufen, Nachrichten schreiben oder über Instagram Kontakt mit mir aufnehmen, um Sachen zu bestellen, die sie dann am Geschäft abholen können. Zum Glück habe ich viele treue Stammkunden, die diese Möglichkeit nutzen“, sagt sie. Fachhändler mit beratungsintensiveren Babyprodukten wie Autokindersitzen oder Kinderwagen beispielsweise gehen ähnliche Wege: „Wir bieten weiterhin Kindersitzberatungen nach Terminvereinbarung an oder jetzt per Video – vor oder nach einem Kauf oder einer Bestellung. Weiterhin sind wir per E-Mail, Telefon, Chat oder WhatsApp, über Facebook und Instagram für unsere Kundinnen und Kunden da“, betont Sarah Behrendt, Geschäftsführerin von Familie Bär, Verbund von Kindersitz-Fachhändlern.