21.06.19 – Zukunft des Einkaufens

Retail-As-A-Service: Chance für stationäre Händler?

Stationäre Händler sehen an vielen Stellen ihre Geschäftsmodelle schwinden. Das Käuferverhalten ändert und verlagert sich immer mehr ins Netz. Retail-As-A-Service könnte für den stationären Handel Chancen bieten, meint unsere Gastautorin Heike Scholz.

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© Heike Scholz

 

Häufig sind es bislang aber Start-ups, die mit Retail-As-A-Service (RAAS) ein Geschäft machen. b8ta etwa, das 2015 mit einem Store in Palo Alto startete. Innerhalb von nur zwei Jahren eröffnete das Start-up neun Flagship-Stores und 70 Shop-In-Shops in den USA. Das Konzept: Bei b8ta können überwiegend technische Produkte ausprobiert werden. Zu jedem Produkt gibt es Screens, die von den Herstellern bespielt werden können und über die das Such- und Nutzungsverhalten der Kunden getrackt wird – die Auswertung wird den Herstellern zur Verfügung gestellt. Der Kauf in den b8ta-Läden läuft online ab, die Ware wird direkt nach Hause geliefert.

Damit erfüllen die b8ta-Stores eine Doppelfunktion, denn sie generieren nicht nur Umsätze, sondern bieten dem Hersteller auch eine Art „Labor“ für neue Produkte, das Erkenntnisse liefert, die dann in die Produktentwicklung fließen können. Hersteller zahlen bei b8ta einen festen monatlichen Beitrag, dessen Höhe sich nach der Quadratmeterzahl und Lage des Shops richtet. Enthalten sind Checkout, Inventar, Point of Sale, Bestandsmanagement, Personaleinsatzplanung und mehr.

Reines Provisionsmodell

Ein weiteres Beispiel für RAAS-Konzepte ist das Start-up Leap aus Chicago, wo es 2018 einen ersten Store für den High-End-Sneaker-Hersteller Koio eröffnet hat. Dort zahlt die Marke keine monatliche Rate, sondern eine Umsatzprovision, was das Risiko für den Hersteller weiter verringert. Zusätzlich möchte Leap mittels Kundeninformationen und der intelligenten Logistikplattform dazu beitragen, die Kundenbindung, das Shopper Engagement und den Markenauftritt zu verbessern. Sollte dies funktionieren, können Marken so gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Kosten pro Neukunde senken und den Kundenwert steigern. Zudem kann sich der Hersteller auf den Markenaufbau und die Lieferkette konzentrieren, statt auf die Retail-Strategie.

Einen Weg, der an Promobo erinnert, die in den Hackeschen Höfen und im Bikini in Berlin Designern und Manufakturen die Möglichkeit bieten, Verkaufsboxen zu mieten und dort ihre Produkte zu präsentieren, schlägt Fourpost ein: Im November 2018 eröffnete das Start-up seine ersten beiden Stores in der Mall of America in Minneapolis und in der Edmonton Mall in Alberta, Kanada. Dort bietet Fourpost fertige Einzelhandelsflächen, genannt „Studio Shops“, an. Diese sind in Würfel-, Rechteck- und Dreiecksformaten von 50 bis 100 m² erhältlich und können für sechs oder zwölf Monate angemietet werden. In den Kosten enthalten sind Ladeneinrichtung, Beschilderung, Beleuchtung, WiFi, Point-of-Sale-Hardware, speziell geschultes Personal sowie gemeinsame Einrichtungen wie Veranstaltungsräume, Lagerräume und ein Social Media-Manager.

Retail-As-A-Service als Chance

RAAS bietet stationären Händlern eine Möglichkeit, das eigene Geschäftsmodell vollständig zu verändern und sich so dem Wandel anzupassen oder auch, sich weitere Umsätze zu sichern. Voraussetzung für die hier beschriebenen, bereits weit fortgeschrittenen Modelle ist ein tiefes Verständnis von IT und Prozessen, denn diese Konzepte gehen nur bei höchstmöglicher Effizienz auf. Ohne sich selbst zu digitalisieren, geht es also auch hier nicht.

Doch dies sollte auch kleine und mittelständische Händler nicht davon abschrecken, sich Gedanken über neue Geschäftsmodelle zu machen. Dies gilt insbesondere, wenn man mit einem austauschbaren Standard-Sortiment unterwegs ist. Der Gedanke dahinter ist, das eigene praktische Wissen um Handelsprozesse und lokale Gegebenheiten auf andere Art zu nutzen, als man es bisher getan hat. Etwas Mut und das Loslassen gehören dazu, den nächsten Schritt zu gehen: Auf geht’s!