19.03.20 – Corona-Epidemie

Katastrophe für den Fachhandel

Die verordneten Ladenschließungen führen bundesweit zu Umsatzausfällen in Milliardenhöhe. Verschiedene Branchenverbände appellieren an Industrie, Handel, Vermieter und Gewerkschaften.

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Volle Regale, leere Gänge – der deutsche Fachhandel gerät in Not. © Aisyaqilumar - stock.adobe.com

 

Spielwarenläden bangen um ihr Ostergeschäft, viele Modehändler sitzen auf der Frühjahr/Sommer-Ware, bei vielen geht es schlicht um die Existenz. Der Bundesverband Spielwaren BVS, die Ek/servicegroup und der Handelsverband Textil fordern schnelle Maßnahmen zur Erhaltung des stationären Fachhandels.

BVS fordert kontrollierte Öffnung

Der Vorsitzende des Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels Wieland Sulzer richtete am 16. März ein Schreiben an die jeweiligen Ministerpräsidenten und -präsidentinnen der Bundesländer, in dem er für eine kontrollierte Öffnung der Spielzeuggeschäfte im Ostergeschäft plädierte.

„Wenn der Spielwaren-Einzelhandel geschlossen würde, käme es in Drogeriemärkten zu verstärkten Ansammlungen von Menschen, die dort zusätzlich ihre Spielwarengeschenke zu Ostern kaufen. Wir empfehlen daher dringend eine weitere Öffnung des Spielwaren-Einzelhandels. Überfüllte Spielwarenabteilungen in den Drogeriemärkten müssen auf jeden Fall vermieden werden, um weitere Neuinfektionen zu vermeiden. Eine zusätzliche Öffnung des Spielwaren-Einzelhandels würde die Ansteckungsgefahr vor und in Drogeriemärkten verringern, indem Menschenansammlungen vermieden werden“, schreibt Sulzer.

Natürlich geht es nicht nur um die Verminderung der Ansteckungsgefahr, sondern auch um die Existenz der zahlreichen Spielwarenläden im Land. Die derzeitigen Schließungen fallen gerade in das für den Handel so wichtige Ostergeschäft. Rund 150 Mio. Euro Umsatz macht der Spielwaren-Einzelhandel laut BVS rund um Ostern.

EK/servicegroup appelliert an Industriepartner

Auch die EK/servicegroup, Verbundgruppe für fast 4000 angeschlossene Händler, macht in einem Schreiben an seine Industriepartner deutlich, wie kritisch sich die Situation für zahlreiche stationäre Mitgliedsunternehmen darstellt, darunter auch viele Babyausstatter und Spielwarenhändler. Der EK-Vorstand Franz-Josef Hasebrink, Martin Richrath und Susanne Sorg bitten um Verständnis und Kooperation. „Um Liquiditätsengpässe weitestgehend zu vermeiden, setzen wir voraus, dass Sie die von unseren Mitgliedern erteilten Aufträge ohne Berechnung stornieren und die Auslieferung nicht mehr durchführen. Aufgrund der Schließung der Betriebe ist eine Zustellung der Waren darüber hinaus bis auf Weiteres rein praktisch nicht möglich, bitte lassen Sie uns unnötige und mit Kosten verbundene Annahmeverweigerungen vermeiden.“

BTE fordert schnelle Hilfen

Hohe zweistellige Umsatzeinbußen in den letzten Wochen belasten auch den Modehandel. Die Handelsverbände Textil (BTE), Schuhe (BDSE) und Lederwaren (BLE) fordern schnelle und unbürokratische Hilfen, um eine Insolvenzwelle im Textil-, Schuh- und Lederwarenhandel zu verhindern. Die Warenlager der meisten Modehändler sind voll mit Saisonware für Frühjahr/Sommer und die Händler müssen jetzt die Rechnungen dafür bezahlen. Durch die flächendeckenden Schließungen im ganzen Land und den fehlenden Einnahmen wird es schnell zu Liquiditätsengpässen kommen.

Rolf Pangels, Hauptgeschäftsführer des BTE Handelsverband Textil, appelliert an die Gewerkschaft Verdi, bereits genehmigte Sonntagsöffnungen nicht kurzfristig zu torpedieren. „Der stationäre Handel braucht jetzt jede sich bietende Gelegenheit zum Verkauf seiner Produkte, damit er auch künftig noch am Standort bestehen und Arbeitsplätze sichern kann!“

BTE-Präsident Steffen Jost fordert eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Handel und Industrie, auch im Hinblick auf die Herbstware, die viele Händler schon geordert haben dürften. Man wisse nicht, wie lange die Corona-Krise andauert und ob nicht im Herbst neue Infektionswellen durch Deutschland rollen. Daher richtet Jost einen Appell an die Partner in der Industrie, die Organisation der Lieferungen von Herbstware bereits jetzt mit dem Modehandel abzustimmen. „Um die Existenz von kleinen, mittleren und auch größeren Modehändlern nicht noch stärker aufs Spiel zu setzen, darf es hier keine Denkverbote geben.“ Andernfalls wird es eine noch stärkere Insolvenzwelle geben, die auch nicht im Interesse der Lieferanten sein kann.

Auch fordert Jost ein Entgegenkommen von den Vermietern der Ladengeschäfte. Am besten wäre es natürlich, auf Mietforderungen für die Zeit der erzwungenen Geschäftsschließungen komplett zu verzichten oder diese teilweise zu erlassen. Er warnt vor einer explosionsartigen Zunahme von Leerständen – was auch nicht im Interesse der Vermieter sei. „Ansonsten schlachten die Vermieter die Kuh, die sie melken wollen“, formulierte es der BTE-Präsident ganz plastisch.

Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) richtet einen eindringlichen Appell an alle Vermieter von Ladenlokalen, deren Mieter betroffen sind, die Mieten für die Zeit der Schließungen auszusetzen und die Miete auf die laufenden Betriebskosten zu reduzieren. Außerdem sollte den Handelsmietern zusätzlich die Stundung dieser Kosten ermöglicht werden. „Stabile Mieter sind auch im Interesse der Immobilieneigentümer. Der Handel braucht jetzt dringend Hilfe“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Die Bayerische Staatsregierung hat ein Soforthilfeprogramm eingerichtet, das sich an Betriebe und Freiberufler richtet, die durch die Corona-Krise in eine existenzbedrohliche wirtschaftliche Schieflage und in Liquiditätsengpässe geraten sind.