13.09.21 – BDKH Trendbericht
Online, Second Hand & Nachhaltigkeit
Der deutsche Industrieverband für Kinderwagen, Autokindersitze & Co. berichtet über die aktuelle Lage der Branche, die Veränderungen durch Corona und welche Trends wichtig werden.
Das zweite Pandemiejahr 2021 ist von der Hoffnung auf ein Ende der Krise geprägt. Vieles ist besser geworden, die meisten Anpassungen sind vollzogen und manches zählt bereits zur Normalität. Kommunikation, Marketing und Vertrieb spielen sich vorwiegend im virtuellen Bereich ab, die Messen bieten digitale und hybride Formate an und die Konsumenten verhelfen dem Online-Handel zu neuen Rekorden.
Zum Jahresbeginn freut sich die Kinderausstattungsbranche über einen Geburtenhöchststand in Deutschland wie seit 20 Jahren nicht mehr. Während 2020 die Zahl der Neugeborenen mit 773.000 im Vergleich zum Vorjahr um rund 5.000 Babys niedriger lag, ließ eine Mitteilung des Statistischen Bundesamts im Frühjahr aufhorchen. Ab Februar und März 2021 war mit plus 6 bzw. 10 % mehr Geburten im Jahresvergleich ein kleiner Babyboom in Deutschland und weiteren europäischen Ländern zu beobachten. Dem „Cocooning-Effekt“ nach dem Abflauen des ersten Lockdowns stehen die wirtschaftlichen Sorgen in den von der Pandemie besonders betroffenen Ländern gegenüber. In Spanien, Frankreich oder Belgien blieben die Geburtenzahlen daher eher rückläufig.
Ein weiterer Trend ist das steigende Durchschnittsalter von Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes – in Deutschland sind die Mütter durchschnittlich 30 Jahre. Auch der Anteil von Ü40-Müttern steigt. Das höhere Alter der Mütter und der wachsende Einsatz von künstlicher Befruchtung werden auch als Ursachen für die zunehmende Zahl von Mehrlingsgeburten gesehen. In Deutschland war 2019 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sogar jedes 27. Neugeborene ein Mehrlingskind, zumeist ein Zwilling. Das entspricht einem Anteil von 3,7 %.
Wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland
War das Jahr 2020 auch durch die pandemiebedingte Unterbrechung der Lieferketten wirtschaftlich eine Achterbahnfahrt mit dem stärksten Einbruch im Frühjahrsquartal seit Kriegsende, präsentierte sich 2021 bislang stabil. Die Produktion der Industrie, die für ein Viertel der Wertschöpfung in Deutschland sorgt, blieb trotz hoher Inzidenzzahlen im ersten Jahresdrittel bislang weitgehend unbeeinträchtigt. Das Bruttoinlandsprodukt hat laut dem Konjunkturbarometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von April bis Juni mit rund 2,5 % einen kräftigen Satz gemacht. Die anhaltende Erholung kommt auch auf dem Arbeitsmarkt an, wo immer mehr Menschen aus der Kurzarbeit in die reguläre Beschäftigung zurückkehren. Dennoch sind die Pandemiefolgen noch nicht bewältigt. Die zunehmende Rohstoffknappheit belastet die Industrie und die Insolvenzgefahr steigt.
„Die durch die Pandemie nachhaltig beeinträchtigten Lieferketten sind dabei, sich wieder zu normalisieren“, berichtet BDKH-Geschäftsführer Michael Neumann. „Was den meisten Herstellern weiterhin sehr zu schaffen macht, sind die Containerpreise aus Asien nach Europa. Die Kosten hierfür sind im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau quasi explodiert. Das treibt die Kosten für viele Produkte erheblich nach oben und zwingt die Hersteller, das in den Preisen weiterzugeben.“
Konsumausgaben von Familien
Nicht aus den Augen zu verlieren ist die Tatsache, dass etwa jedes fünfte Kind in Deutschland in relativer Armut lebt. Rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche sind hierzulande armutsgefährdet – und damit häufig auch bildungsbenachteiligt. Dieser Anteil liegt bereits seit Jahren leider konstant bei etwas über 20 %.
Die Ausgaben der Eltern für ihre Kinder sind in Deutschland entsprechend unterschiedlich und stark vom verfügbaren Einkommen abhängig. Laut der jüngst veröffentlichten Studie „Konsumausgaben von Familien für Kinder“ des Statistischen Bundesamtes geben die einkommensschwächsten 10 % der Bevölkerung 424 Euro im Monat für ein Einzelkind aus, die einkommensstärksten 10 % mit 1.212 Euro fast dreimal so viel. Die Zahlen beziehen sich auf Erhebungen von 2018. Im Durchschnitt liegen die monatlichen Ausgaben für ein Einzelkind bei 763 Euro, für zwei Kinder bei 1.276 Euro und drei Kinder 1.770 Euro. Ein Einzelkind verbraucht rund 21 % der Konsumausgaben seiner Eltern. Im Vergleich zum Jahr 2013 (durchschnittlich 660 Euro) sind die Ausgaben für ein Einzelkind damit um 16 % gestiegen.
Der Markt für Baby- und Kinderausstattung 2020
Hansjürgen Heinick, Senior Consultant des IFH Köln, beschreibt die verschiedenen Entwicklungen im Markt für Baby- und Kinderausstattung im Jahr 2020: „Der Umsatz ist hier um rund 8 % gesunken. Dazu beigetragen haben bei den Segmenten vor allem die Bereiche Bekleidung, Schuhe und Accessoires inklusive Schultaschen und Ranzen. Und das vor allem bei den Minis und Kids, während die Rückgänge bei den Babys weniger deutlich ausfielen.“ Positiv hätten sich im vergangenen Jahr besonders die Warengruppen rund um die Kindermobilität entwickelt – sprich bei den Kinderfahrzeugen und Kinderfahrrädern.
Pauline Fleischer, Junior Consultant Market Intelligence der GfK in Nürnberg, berichtet, dass die Kategorie Autokindersitze in Deutschland im krisengebeutelten ersten Halbjahr 2020 aufgrund der Geschäftsschließungen starke Umsatzeinbußen von minus 13 % hinnehmen musste. Im April 2020, als der stationäre Baby- und Spielwarenfachhandel geschlossen blieb, verzeichnete diese Produktkategorie sogar einen Rückgang von 46 % (in Wert), gemessen am GfK Panelmarkt. „Verglichen mit dem schwachen ersten Halbjahr 2020, fielen die Umsätze für die erste Jahreshälfte 2021 mit einem Plus von 15 % positiv aus“, so Fleischer. Der Großteil des Wachstums habe im Onlinehandel stattgefunden (20 %). Die stationären Geschäfte hätten einen Anstieg von immerhin 9 % verzeichnen können. Während der Umsatz im stationären Handel überwiegend aus Verkäufen von i-Size-Sitzen bzw. Kindersitzen der kleinsten Altersgruppen (0/0+, 0+/1) resultierte, erzielten im Internet weiterhin die Sitzgruppen 1/2/3 und 2/3 den größten Umsatzanteil.
Second Hand auch bei Hartware
Ein verändertes Konsumverhalten aufgrund des Klimawandels sei neben den pandemiebedingten Umständen – geringerer Bedarf aufgrund Schulschließungen und weniger Sportevents – besonders bei der Bekleidung bemerkbar, so Hansjürgen Heinick vom IFH Köln. „Second Hand dürfte künftig mehr oder weniger deutlich an Bedeutung gewinnen und auch auf andere Segmente, wie etwa Kinderwagen, abstrahlen.“ Die Treiber des Second Hand-Booms sind neben dem bewussteren Konsum die Digitalisierung, so eines der Erkenntnisse der IFH Köln-Studie „Nachhaltigkeit in der amazonisierten Welt“. Mithilfe verschiedener Apps und Services wird etwa der Handel mit gebrauchter Kleidung zum relevanten Umsatzfaktor.
Dauerbrenner Nachhaltigkeit
Von der Corona-Pandemie und der zunehmend deutlichen Klimakrise getriggert, hinterfragen vor allem die jüngeren Konsumenten vermehrt ihre Kaufentscheidungen. Damit einher geht auch der häufigere regionale Einkauf – online wie offline. „Nachhaltigkeit ist inzwischen obligatorisch, wenn ein Hersteller bei Händlern, Verbrauchern und Meinungsführern salonfähig sein möchte. Das führt dazu, dass immer mehr Unternehmen, die sich in ihren Botschaften und Angeboten auf ganz andere Vorteile fokussiert haben, Nachhaltigkeit umsetzen und auch kommunizieren“, bekräftigt auch Ulrica Griffiths, Inhaberin der Kommunikationsagentur Griffiths Consulting in München.