26.10.23 – Krise, Kaufkraftminderung und weniger Kinder

BDKH-Trendbericht 2023

Wie verändert sich der Markt der Kinderausstattung? Wo kaufen Eltern heute ein? Und welche Innovationen gibt es? Der Trendreport des Bundesverbands Deutscher Kinderausstattungs-Hersteller e. V. (BDKH) liefert einen Überblick.

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Familien im Jahr 2023 sind authentisch und natürlich. Das spiegelt sich nicht zuletzt in der Kommunikation der Hersteller wider. Lansinoh zeigt wie hier z. B. Mütter, keine „Models“. © Lansinoh

 
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Als erste Babyschale weltweit wird die Babyschale „Pipa urbn“ von Nuna mit einem integrierten Isofix-System installiert und ermöglicht damit eine sekundenschnelle Installation im Auto – ohne Basisstation. © Nuna

 
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Freute man sich vergangenes Jahr noch über die höchste Geburtenrate seit einem Vierteljahrhundert, sind die Nachrichten für die Kinderausstattungs-Branche nicht immer gut in diesen Tagen. Nach dem Pandemie-bedingten Geburtenhöchststand von 2021 kamen 2022 mit 738.819 Kindern mehr als 7 % weniger Babys auf die Welt. Der fehlende Umsatz bei der umfangreichen Erstausstattung macht den Herstellern von Kinderwagen, Babyschalen und Co. deutlich zu schaffen. Möglicherweise spielte 2022 bei jungen Paaren die Zurückstellung des Kinderwunsches zugunsten der Corona-Impfung eine Rolle, da diese für Schwangere zunächst nicht empfohlen worden war. Hinzu kam, dass im vergangenen Jahr eine große Krise unmittelbar von der nächsten abgelöst wurde: Der Angriffskrieg führte zu Preissteigerungen und einer hohen Inflation. Das Realeinkommen und damit die Kaufkraft der Deutschen sank wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik.

Die Entscheidung für ein Kind und den (zeitweisen) Verzicht auf ein zweites Einkommen muss man sich jedoch auch finanziell leisten können: Ein Kind kostet nach aktuellen Berechnungen monatlich etwa 630 Euro – bis zum 18. Lebensjahr sind das rund 145.000 Euro. Aktuell gelten jedoch mehr als jedes fünfte Kind und jeder vierte junge Erwachsene in Deutschland als armutsgefährdet. Besonders betroffen sind die rund 1,3 Mio. Familien mit mehr als zwei Kindern. Fast ein Drittel von ihnen gilt als einkommensarm. Die Familienpolitik in Deutschland bietet nach Ansicht des BDKH in der aktuell wirtschaftlich schwierigen Phase keine stabilen Rahmenbedingungen.

Second Hand und Mietplattformen sind beliebt

Der hohe Preisdruck und die verminderte Kaufkraft lassen junge Eltern immer häufiger auf den Second Hand-Markt ausweichen. Miet-Plattformen, die es mittlerweile auch für Kinderausstattung wie Kinderwagen, Babytragen oder Kinderräder gibt, sind ebenfalls zur Option geworden. Einige Hersteller bieten ihre Produkte selbst wahlweise als Kauf- oder Mietmodell an, denn sie müssen vor dem Hintergrund gestiegener Rohstoff- und Herstellungskosten, wegbrechender Märkte und der allgemeinen Kaufzurückhaltung kreativ werden, um ihre Umsätze zu erreichen.

Positiv zu beobachten: Das familiäre Umfeld gibt pro Kind im Schnitt von Jahr zu Jahr mehr Geld aus. In Deutschland waren das 2022 rund 7,65 Mrd. Euro – 3,4 % mehr als im Vorjahr. Etwa die Hälfte fällt dabei auf Bekleidung und Schuhe, allein 2 Mrd. Euro gehen in die Erstausstattung der Kleinen bis zum zweiten Lebensjahr. Im Vergleich zur generellen Entwicklung des Konsums und des Einzelhandels hat sich die Baby- und Kinderausstattung allerdings in den vergangenen Jahren unterdurchschnittlich entwickelt.

Die Jungen nutzen Social Commerce

Gerade junge Mütter und Väter wollen ein nahtloses Einkaufserlebnis über alle Kanäle hinweg – ob stationär, zuhause am PC oder unterwegs über das Smartphone. Vor allem 16- bis 29-Jährige lassen sich über Social Media-Plattformen wie Instagram und YouTube inspirieren. Beliebt bei jungen Käufern sind zudem AR/Augmented Reality-Darstellungen, die viele Informationen liefern oder Produkte „greifbar“ machen. Künstliche Intelligenz (KI) wird im Handel bereits eingesetzt, um Kaufwahrscheinlichkeiten zu berechnen und gezielte Produktempfehlungen auszuspielen. Produktinnovationen werden dabei über das ganze Jahr hinweg vorgestellt. Echte Neuheiten gibt es v. a. im technisch anspruchsvollen Segment der Autokindersitze. Hier stellte Nuna im Frühjahr die weltweit erste Babyschale mit integriertem Isofix-System vor. Die „Pipa urbn“ ist für alle drei Installationsmöglichkeiten (Isofix, Fahrzeuggurt oder Isofix und Fahrzeuggurt) nach der neuesten Sicherheitsnorm ECE R129/03 zugelassen und lässt sich auch auf den Kinderwagen setzen.

Auch die Traditionsmarke Maxi-Cosi präsentierte dieses Jahr ein weltweit neues Feature für die i-Size-Modelle „360 Pro Family“. Mit der „SlideTech“-Technologie der „FamilyFix 360“-Basisstation lassen sich Babyschale und Autokindersitz aus dem Auto herausziehen, was das Hineinsetzen und Herausnehmen des Kindes erleichtert und dabei den Rücken des Erwachsenen schont. Mit dem 360°-Rotationssystem FlexiSpin der Basis können die Kindersitze mit nur einer Hand in die gewünschte Stellung gedreht werden. Die Modelle sind auch mit dem Gütesiegel der Aktion Gesunder Rücken (AGR) ausgezeichnet.

Nachhaltigkeit ist ein Kaufkriterium

Neben der Sicherheit sind Nachhaltigkeit und Umweltschutz für Eltern wichtige Kaufkriterien. Moderne Techniken des Upcyclings und Recyclings werden von zahlreichen Herstellern eingesetzt, um Rohstoffe einzusparen und neue Wertstoffe aus gebrauchten Schaumstoffprodukten zu gewinnen. Im Bereich der Produktverpackungen geht der Weg hin zu Karton oder anderen innovativen Methoden. „Was für den Großteil der Kundinnen und Kunden aber trotz allem wichtigstes Kaufargument bleibt, ist der Preis. Der muss auch bei einem nachhaltigen Produkt stimmen“, analysiert Jesper Frandsen, Inhaber der Markenagentur Tradewell, die sich auf skandinavische Kinderprodukte spezialisiert hat.