15.09.25 – Interview mit Jeannine Merkl, Geschäftsführerin von Gesslein
„Wir spüren eine klare Verunsicherung auf mehreren Ebenen“
Die Stiftung Warentest prüfte Kombi-Kinderwagen auf Herz und Nieren – rundum gut schnitt keiner der getesteten Wagen ab. Einige Formulierungen empfindet Jeannine Merkl, Geschäftsführerin von Gesslein, als äußerst problematisch und erläutert ihre Bedenken im exklusiven Interview mit baby&junior.
baby&junior: Frau Merkl, Ihr Kinderwagen „FX4 Style“ erhielt im aktuellen Stiftung Warentest die Note „befriedigend“. Wie haben Sie persönlich auf dieses Ergebnis reagiert?
Jeannine Merkl: Generell weiß man bei Stiftung Warentest nie, was einen erwartet. So war der erste Gedanke tatsächlich erleichternd – denn unser Modell wurde als Ergonomie-Sieger ausgezeichnet und sogar als komfortabelster Kinderwagen im Test bezeichnet. Die Gesamtnote hingegen war natürlich enttäuschend. Und es hat mich traurig gemacht, dass hier ein rein theoretisches Risiko konstruiert und zur Abwertung herangezogen wurde. Beim erneuten, genaueren Lesen für dieses Interview – unter Anmerkung 12) – ist mir die Tragweite dieser Formulierung erst richtig bewusst geworden. Dort heißt es wörtlich: „Wenn die Verriegelung der Babywanne gelöst ist, kann diese im ungünstigsten Fall herunterkippen.“ Nur: Diese Verriegelung kann sich gar nicht unbeabsichtigt lösen – außer man drückt gezielt mit mindestens 50 Newton, wie es die gültige Norm vorsieht. In über fünf Jahren Marktpräsenz ist das nicht ein einziges Mal vorgekommen. Warum dann ein Produkt, das in der Nutzung eine echte Lücke von drei Monaten zwischen Babywanne und Sitzaufsatz hat, besser abschneidet und sogar Testsieger wird, ist für mich nicht nachvollziehbar.
baby&junior: Die Stiftung Warentest kritisiert bei allen Modellen Komfort, Sicherheit und Schadstoffe. Können Sie diese Vorwürfe nachvollziehen oder sehen Sie methodische Fehler im Test?
Jeannine Merkl: Beim Thema Sicherheit verweise ich auf Antwort 1. Was den Komfort betrifft, sehen wir v. a. einen Widerspruch zwischen Einzelergebnis und Zusammenfassung: Im redaktionellen Teil auf Seite 68 steht wörtlich: „Auf den Plätzen dahinter landen ebenfalls mit Testurteil befriedigend die Modelle ‚Fame‘ von Maxi-Cosi (1200 Euro), ‚Salsa 5 Air‘ von ABC Design (950 Euro), ‚FX4 Style‘ von Gesslein (833 Euro) und ‚Day5‘ von Joolz (1234 Euro). Sie schnitten aufgrund von Komfortproblemen oder Verletzungsgefahr nicht besser ab.“ Diese Formulierung lässt vermuten, dass unser Modell echte Schwächen beim Komfort oder der Sicherheit aufweist – obwohl genau das im Detail nicht belegt wird.
Ganz im Gegenteil: Der gleiche Testbericht schreibt direkt im Anschluss – im selben Absatz – über unseren FX4 Style: „Lückenlos von der Geburt bis zu einem Alter von vier Jahren verwenden lassen sich dem Test zufolge nur die Wagen ‚FX4 Style‘ von Gesslein und ‚Yoxi 2in1‘ von Kinderkraft.“ Und auch in der technischen Bewertung wird unser Modell für seine großzügige Babywanne, ergonomische Sitzlösung und lange Nutzungsdauer gelobt. Wörtlich heißt es unter kindgerechte Gestaltung: „Bester im Test – auch wegen der guten Liegewanne. Sitz lässt sich direkt im Anschluss an die Wanne komfortabel nutzen.“ Diesen Widerspruch empfinden wir als schwierig – v. a., weil viele Leser nur die Zusammenfassung wahrnehmen. Noch problematischer wird es, wenn solche Aussagen – wie in diesem Fall – von Medien ungeprüft übernommen werden. Mehrere Onlineportale, darunter auch Artikel auf Basis von DPA-Material, haben unseren FX4 Style in einen Zusammenhang mit Modellen gebracht, bei denen tatsächlich Sicherheits- oder Schadstoffprobleme vorlagen. Das ist nicht nur irreführend, sondern aus unserer Sicht auch geschäftsschädigend – weil es auf einem Widerspruch innerhalb desselben Testberichts basiert. Wir wünschen uns hier mehr Sorgfalt in der Wortwahl – gerade weil Eltern sich auf solche Tests verlassen.
baby&junior: Der „FX4 Style“ erhielt trotz der Komfort-Auszeichnung offenbar eine schlechte Gesamtnote. Welche Mängel führten zu dieser Abwertung?
Jeannine Merkl: Die Abwertung basiert – wie bereits erwähnt – auf einem theoretischen Sicherheits-Szenario, das in der Praxis nicht vorkommt. Was dabei völlig untergeht, sind reale Stärken, die für Familien im Alltag den entscheidenden Unterschied machen. So ist der FX4 Style der einzige Kinderwagen im Test, der sich ergonomisch für kleine, mittlere und große Personen gleichermaßen gut einstellen lässt. Das ist besonders dann wertvoll, wenn Mama und Papa unterschiedlich groß sind – oder wenn auch mal Oma, Opa oder die Patentante den Wagen schieben. Bequeme Beinfreiheit, angenehme Schiebehöhe – bei anderen Modellen ist das oft nur für eine Durchschnittsgröße optimal gelöst. Und auch für das Kind ist der Komfort spürbar: Die besonders großzügige Babywanne mit hochwertiger Matratze, kombiniert mit einem Sitz, der sich direkt anschließt und bis weit ins Kleinkindalter bequem genutzt werden kann, macht den FX4 zu einem Begleiter über viele Jahre – nicht nur auf dem Papier, sondern im echten Leben. Solche durchdachten Details hätten aus unserer Sicht stärker in die Gesamtnote einfließen müssen. Denn sie entscheiden nicht nur über den ersten Eindruck – sondern über langfristige Zufriedenheit.
baby&junior: Sie fordern eine Korrektur unserer Berichterstattung. Auf welcher Grundlage basiert diese Forderung?
Jeannine Merkl: Unsere Bitte basiert auf der Tatsache, dass Sie sich – wie zuvor auch die DPA – in Ihrem Artikel auf eine verkürzte und irreführende Passage aus dem Testbericht auf Seite 68 gestützt haben. Dort wurde unser FX4 Style pauschal mit Komfortproblemen und Verletzungsgefahr in Verbindung gebracht – ohne dass dies durch die Detailergebnisse des Tests belegt ist. Diese Formulierung steht im Widerspruch zu den klaren Einzelbewertungen: Unser Modell wurde als komfortabelster Kinderwagen und Ergonomie-Sieger ausgezeichnet. Auch eine reale Verletzungsgefahr wurde nicht nachgewiesen, sondern lediglich hypothetisch beschrieben. Gerade weil viele Eltern und Händler sich auf die Berichterstattung der Fachpresse verlassen, wünschen wir uns eine kritische Auseinandersetzung auch mit den Aussagen der Stiftung Warentest – insbesondere dort, wo sie auf pauschale Formulierungen statt auf differenzierte Bewertungen zurückgreifen. In diesem Sinne danken wir Ihnen sehr, dass Sie uns im Rahmen dieses Interviews die Möglichkeit zur Stellungnahme geben. Und wir bitten freundlich um eine Korrektur der betreffenden Passage.
baby&junior: Sind Ihnen konkrete Schäden durch das Testergebnis entstanden, z.B. bei Händlern, Endkunden oder Partnern?
Jeannine Merkl: Direkt messbare Umsatzeinbußen können wir derzeit nicht eindeutig belegen – dennoch spüren wir eine klare Verunsicherung auf mehreren Ebenen:
Fachhändler haben sich bei uns gemeldet, um nach der sogenannten Sicherheitsproblematik zu fragen.
Auch Endkunden reagieren sensibler, sobald das Stichwort „Stiftung Warentest“ fällt – unabhängig davon, ob der Testbericht vollständig gelesen wurde.
Und wir merken im Dialog ganz konkret: Das Testergebnis wirkt nach – und leider nicht so, wie es die positiven Detailbewertungen eigentlich nahelegen würden.
Wären wir offiziell Testsieger geworden – was aufgrund der Einzelergebnisse durchaus naheliegend gewesen wäre – hätte das sicher einen spürbaren Verkaufsimpuls gebracht. Sowohl für das Modell FX4 Style als auch für unsere Marke insgesamt. Denn: Als komfortabelster Kinderwagen im Test, mit der besten kindgerechten Gestaltung und einer lückenlosen Nutzbarkeit von Geburt bis vier Jahren bringt unser Modell objektiv alle Voraussetzungen für ein sehr gutes Urteil mit. Dass durch eine hypothetische Anmerkung diese Sichtbarkeit verloren ging, empfinden wir als verpasste Chance – auch für viele junge Familien, die sich auf solche Tests verlassen.
baby&junior: Wie unterstützen Sie Ihre Händler konkret beim Umgang mit verunsicherten Kunden?
Jeannine Merkl: Gerade bei einem sensiblen Thema wie dem Stiftung-Warentest-Ergebnis ist es uns wichtig, unsere Handelspartner nicht allein zu lassen, sondern aktiv zu unterstützen.
Deshalb haben wir:
eine sachlich fundierte Stellungnahme erstellt,
ein Infoblatt für den Point of Sale vorbereitet, das zentrale Fakten und Vorteile verständlich aufbereitet,
und zusätzlich einen Blogbeitrag veröffentlicht, der das Testergebnis differenziert einordnet – emotional nachvollziehbar, aber ohne technische Überfrachtung.
All diese Materialien stellen wir unseren Fachhändlern zur Verfügung – digital und druckfähig, damit sie im direkten Kundengespräch einfach eingesetzt werden können. Ziel ist es, Klarheit zu schaffen – und dabei den Fokus wieder auf das zu lenken, was Familien wirklich interessiert: Sicherheit, Komfort und alltagstaugliche Lösungen.
Wir wissen: Unsere Händler kennen ihre Kunden am besten. Deshalb gestalten wir unsere Kommunikation so, dass sie flexibel einsetzbar ist – sei es im persönlichen Gespräch, im Newsletter oder auf Social Media. Und wenn darüber hinaus Gesprächsbedarf besteht, sind wir jederzeit persönlich erreichbar.
baby&junior: Das Landgericht Frankfurt hat erstmals die Stiftung Warentest zu Schadensersatz verurteilt. Prüfen Sie ähnliche rechtliche Schritte?
Jeannine Merkl: Wir prüfen öffentliche Aussagen sehr genau – besonders dann, wenn sie nicht objektiv falsch sind, aber durch ihre Formulierung eine verzerrte Wirkung entfalten. So auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehbeitrag, in dem unser Modell wie folgt beschrieben wurde: „Also es gibt einen Kinderwagen, der bei der kindgerechten Gestaltung gut abgeschnitten hat, den kann man also empfehlen für alle, die da besonderen Wert drauflegen. Er hat allerdings ein kleines Sicherheitsproblem – bei dem ist das Problem: Wenn die Babywanne nicht richtig eingerastet ist, dass die kippen kann. Das müssten also Eltern wissen, die sich für diesen Wagen entscheiden.“ Diese Aussage ist aus unserer Sicht hochproblematisch – nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der rhetorischen Konstruktion:
Zuerst wird ein „kleines Sicherheitsproblem“ eingeführt
Dann wird das Wort „Problem“ nochmals wiederholt
Schließlich wird ein mögliches Kippen als Folge formuliert
Das Ganze wird ausdrücklich mit unserem Modell in Verbindung gebracht Der Satz selbst ist nicht objektiv falsch – jede Babywanne kann kippen, wenn sie nicht richtig eingerastet ist.
Das gilt für alle Hersteller und ist eine Selbstverständlichkeit im Alltag. Eltern prüfen immer, ob alles korrekt eingerastet ist – genauso wie sie einen Kindersitz oder ein Türschloss prüfen. Doch genau hier liegt das Problem: Durch die doppelte Verwendung des Begriffs „Problem“ entsteht eine emotional verstärkte Aussage, die beim Zuschauer den Eindruck hinterlässt, unser Modell habe ein konkretes, getestetes Sicherheitsdefizit. In Wahrheit wurde im gesamten Testbericht kein realer Vorfall dokumentiert und die technische Anmerkung zur Wanne entspricht den Normvorgaben – mit einem Auslösewiderstand von über 50 Newton. Wir sehen in dieser Art der Darstellung keine Lüge – aber eine Formulierung, die geeignet ist, Misstrauen zu schüren, wo es faktisch nicht gerechtfertigt ist. Ob wir daraus rechtliche Schritte ableiten, prüfen wir aktuell nicht. Stattdessen setzen wir auf Aufklärung, Transparenz und Dialog – mit Eltern, mit Fachhändlern und auch mit den Medien. Denn Vertrauen entsteht dort, wo Informationen richtig eingeordnet werden – nicht dort, wo sie geschickt verkürzt werden.
baby&junior: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Testergebnis für Ihre Qualitätssicherung?
Jeannine Merkl: Die von Stiftung Warentest beanstandete Entriegelung der Babywanne entspricht vollständig der europäischen Sicherheitsnorm EN 1888. Diese Norm legt zwei gleichwertige Sicherheitslösungen fest: Entweder eine doppelte mechanische Verriegelung – oder eine einzelne Verriegelung, die einem definierten Druck von mindestens 50 Newton standhält. Wir haben uns bewusst für die zweite Variante entschieden: Sie ist einfacher, intuitiver und für Eltern im Alltag besser bedienbar – ohne dabei Kompromisse bei der Sicherheit einzugehen. Stiftung Warentest war selbst im zuständigen Gremium vertreten, das diese Norm mitentwickelt hat. Dass nun genau diese zulässige Lösung zur Abwertung herangezogen wird – basierend auf einem rein theoretischen Szenario – wirft weniger Fragen an unsere Qualitätssicherung auf, als an die Bewertungssystematik selbst. Trotzdem: Wir nehmen jede Rückmeldung ernst. Denn Qualität entsteht für uns nicht im Labor, sondern im echten Leben mit Kind – und genau dafür entwickeln wir weiter. Jeden Tag.
baby&junior: Unabhängig vom Test: Werden Sie Ihr Produkt überarbeiten?
Jeannine Merkl: Unsere Produkte entwickeln sich kontinuierlich weiter – nicht, weil ein Test es vorgibt, sondern weil das Leben mit Kindern sich ständig verändert. Wir stehen in engem Austausch mit Familien und Fachhändlern und wissen: Es sind oft die kleinen Dinge, die im Alltag den Unterschied machen. Deshalb fließt jede relevante Rückmeldung in unsere Überlegungen mit ein – sei es aus dem Service, von der Verkaufsfläche oder direkt von Eltern. Wenn es also Veränderungen gibt, dann nicht aus Reaktion, sondern aus Weiterdenken. Weil wir möchten, dass unsere Produkte wirklich entlasten, mitwachsen – und Familien im Alltag spürbar unterstützen. Genau das ist seit jeher unser Anspruch. Und daran halten wir auch fest.