22.05.18 – Zukunft des Einkaufens

Darf's ein bisschen mehr sein?

Digitalisierung oder nicht? Hier scheiden sich wahrlich die Geister. Unsere Gastautorin Karin Wunderlich rät dringend dazu – legt den Händlern aber zugleich ans Herz, Kanäle und Warensysteme gut zu vernetzen.

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Karin Wunderlich © André Dahms

 

Der Handel muss sich digitalisieren, um mit den Erwartungen der Kunden Schritt zu halten. Um herauszufinden, wie der Stand der Digitalisierung im Handel ist und wie der Handel die Situation selber sieht, hat der Verband Bitkom in 2017 eine Studie durchgeführt. In der Eigeneinschätzung sieht sich die Mehrzahl der Händler als Nachzügler in der Digitalisierung, versteht diese aber eher als Chance denn als Risiko. Trotz des erkannten Nachholbedarfs ist das Investitionsverhalten des Handels aber überwiegend verhalten. Das Zögern mag prinzipiell verständlich sein, verblüfft aber dennoch, wenn man betrachtet, wie digital der Handel die Zukunft selber einschätzt. Immerhin glauben 65 % der Befragten, dass in 2030 das Bezahlen automatisiert ist. 
  
Der Shopper denkt nicht in Kanälen
   
Im Großen und Ganzen scheint also durchaus klar zu sein, dass die Digitalisierung im Handel mehr Chancen als Risiken bietet – umso mehr erschreckt die mangelnde Investitionsbereitschaft. Schließlich erwarten Kunden bereits heute ein vernetztes Einkaufserlebnis: Der Shopper denkt und kauft nicht in Kanälen, nur selten gibt es eine definitive Vorabentscheidung für stationären oder Online-Kauf. Vielmehr kommt es immer auf die Situation und die aktuelle Bedürfnislage an.

Das heißt aber nicht unbedingt, dass jeder selbstständige Einzelhändler einen eigenen Online-Shop haben muss. Eine „Visitenkarte“ im Netz und das Bespielen von sozialen Medien sind ein guter Anfang. Wenn dann das nächste Kassensystem, das angeschafft wird, eine dahinterliegende Warenwirtschaft mit einer Schnittstelle ins Netz zur Darstellung der lokalen Produktverfügbarkeit hat, ist auch der kleinere Händler schon sehr nah am Kunden. Solche Investitionen sind rein finanziell gesehen durchaus überschaubar, erfordern aber ein Umdenken bei den Anforderungen an Händler, Personal und Dienstleister.

Nichts ohne intelligente Verknüpfung

Für die Handelsketten ist die Situation da anders: Ein wirklich nahtloses Einkaufserlebnis ist nur möglich, wenn auch alle im Hintergrund laufenden Prozesse digitalisiert und verknüpft sind. Multi-Channel ist eine tolle Option, aber ebenso besonders, wenn die verschiedenen Kanäle in der Supply Chain untereinander verknüpft sind und auf Demand-Seite entsprechend gleiche Ansprache und Services bieten.

Wirklichen Service am Kunden kann ein Händler heute also nur offerieren, wenn als Grundlage alle im Hintergrund laufenden Prozesse, Systeme und Datenbanken digitalisiert, synchronisiert und intelligent verknüpft sind – mit einer Supply Chain, die sich als End-to-End-Dienstleister, also vom Hersteller bis in die Hände des Kunden, versteht und einer Demand-Seite, die den Kunden entlang der gesamten Shopper Journey kennt und alle Aktivitäten strikt nach dessen Bedürfnissen ausrichtet. Und all das bedeutet Investitionen: in Systeme, in Strukturen und in Menschen, die diese entwickeln, einsetzen und nutzen.

 

Zur Autorin

1963 in Brasilien geboren und in Deutschland aufgewachsen, ist Karin Wunderlich (geb. Szendy-Becker) seit 2003 Geschäftsführerin des Popai DACH e. V., dem deutschen Partnerverband einer internationalen Non-Profit-Organisation für Marketing im Handel. Außerdem ist sie seit 2014 Partnerin der gmvTeam GmbH, aus der nach dem Projekt „Future City Langenfeld“ in 2015 die Future Retail Init u. G., gemeinsam mit Frank Rehme, hervorging. Ebenfalls in 2015 gründete Wunderlich mit mehreren Partnern den Informationsdienst www.zukunftdeseinkaufens.de, der sich zu einer wichtigen Informationsquelle bezüglich Innovationen des stationären Handels im deutschsprachigen Raum entwickelte. Außerdem ist die studierte Volkswirtschafterin seit 2016 im Beirat der Messe Düsseldorf für die EuroShop.