28.05.25 – Schlafcoaching

Zwischen Müdigkeit und Mythen: Was wirklich hinter Baby-Schlafproblemen steckt

Zahlreiche Eltern von Babys und Kleinkindern berichten, dass der eigene Schlafmangel eine der größten Herausforderungen in den ersten Lebensjahren darstellt. In ehrlichen Gesprächen mit Eltern fand unsere Gastautorin Claudia Hond heraus: Viele Familien kämpfen um jedes Schläfchen.

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In den ersten Jahren verändert sich die Schlafarchitektur von Babys enorm. © Julius Zöller

 
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Ein- bzw. Weiterschlafhilfen wie Stillen, Flasche, Tragen oder Kuscheln können helfen, Routinen aufzubauen. © Träumeland

 
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Lässt man seinen Blick im Park schweifen, so sieht man bei Weitem nicht nur vor Glück strahlende Eltern, die mit einem Lächeln den Kinderwagen schieben. Wir sehen genauso den Papa, der mit tiefen Augenringen und dem Kind in der Trage Ausfallschritte macht, um es doch endlich zum Schlafen zu bringen, oder die Mama, die bei strömendem Regen den Kinderwagen schiebt, weil das Kind einfach nicht anders in den Schlaf findet. Das für Erwachsene oft so einfache Thema „Schlaf“ wird zur Dauerbelastung: Der Großteil der Gedanken dreht sich um das nächste Nickerchen und man blickt mit Sorge der Nacht entgegen.

Babys schlafen anders als Erwachsene

Hier hilft es, den Schlaf von Babys und Kleinkindern besser zu verstehen, der den natürlichen Mechanismen ihres Körpers folgt. Wenn wir Baby- und Kleinkindschlaf besser verstehen, erkennen wir auch, warum er sich so vom Erwachsenenschlaf unterscheidet. Allein dieses Verständnis kann sehr entlastend sein.

Babys verbringen einen großen Teil ihrer Schlafzeit im Leichtschlaf, was dazu führt, dass sie häufiger aufwachen. Diese Schlafarchitektur hat ihren Grund: Der hohe Anteil an Leichtschlaf ist ein natürlicher Schutzmechanismus, der das Risiko des plötzlichen Kindstods verringert. In diesen Phasen verarbeiten alle Menschen zudem Reize und da Babys und Kleinkinder im Vergleich zu Erwachsenen viel mehr Eindrücke verarbeiten müssen, ist dieser Schlafanteil bei ihnen besonders ausgeprägt. Auch das Gehirnwachstum wird in den Leichtschlafphasen gefördert. Darüber hinaus benötigen Babys aufgrund ihres schnellen Wachstums und ihrer kleinen Magengröße weiterhin regelmäßig Nahrung in der Nacht und müssen daher regelmäßig erwachen.

Es ist also vollkommen normal, dass Babys keine „guten Schläfer“ sind. Biologisch sind sie schlichtweg nicht dafür ausgelegt. Außerdem verändert sich die Schlafarchitektur unserer Babys gerade im ersten Lebensjahr enorm. In den ersten vier Lebensmonaten ist Schlaf ein „Zufallsprodukt“ und unvorhersehbar. Dies liegt daran, dass Neugeborene noch keinen stabilen Tag-Nacht-Rhythmus haben. Hinzu kommt, dass Babys zu diesem Zeitpunkt noch kein eigenes Melatonin, das körpereigene Schlafhormon, produzieren und nicht in festen Schlafzyklen schlafen.

Ab der 16. bis 18. Lebenswoche beginnt sich ein stabilerer Schlafrhythmus zu entwickeln. Die Schlafstunden verlagern sich vermehrt in die Nacht und der Schlaf wird zyklisch. Von nun an schlafen alle Menschen zyklisch – sie durchlaufen Tief- und Leichtschlafphasen und wachen nach jedem Zyklus kurz auf, um zu überprüfen, ob es sicher ist, weiterzuschlafen.

Dieser sogenannte „Sicherheitscheck“ ist ein evolutionäres Erbe, das uns früher vor Gefahren schützte. Auch Erwachsene wachen nachts für diesen Check auf, bemerken ihn jedoch meist nicht. Bei einem vier Monate alten Baby dauert ein Schlafzyklus etwa 20 bis 30 Minuten, bei einem einjährigen Kind etwa 60 Minuten. Wachen die Kinder nach einem durchlaufenen Schlafzyklus für diesen Sicherheitscheck auf, schaffen sie es oft nicht, alleine weiterzuschlafen. Nur wenige Babys können in einem sehr frühen Alter viele Schlafzyklen selbständig miteinander verbinden. Die meisten brauchen Unterstützung durch die Bezugsperson.

Häufiges Aufwachen: Die Rolle der Einschlafhilfen

Diese Unterstützung zeigt sich in Form von Ein- bzw. Weiterschlafhilfen wie Stillen, der Flasche, Tragen oder Kuscheln. Dabei können sich sogenannte Schlafassoziationen entwickeln, das heißt, das Kind verknüpft bestimmte Hilfen so stark mit dem Einschlafen, dass es sie nachts, beim Sicherheitscheck nach einem abgeschlossenen Schlafzyklus, zwingend benötigt, um nach dem Aufwachen wieder in den Schlaf zu finden. Besonders stark prägend sind dabei Hilfen wie Stillen, die Flasche oder Tragen, bei denen sich Schlafassoziationen häufiger bilden. Weniger prägend sind dagegen Einschlafhilfen wie ein Schnuffeltuch oder die bloße Anwesenheit der Eltern.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass selbst bei stark prägenden Einschlafhilfen nicht zwangsläufig Schlafassoziationen entstehen müssen.

Sollte das Kind jedoch ohne eine bestimmte Hilfe nicht ein- bzw. weiterschlafen können und dies zu einer kräftezehrenden Belastung für die Eltern werden, gibt es sanfte und bedürfnisorientierte Methoden, um die Einschlafsituation zu flexibilisieren, sodass das Kind nicht zwingend diese bestimmte Einschlafhilfe benötigt, um weiterzuschlafen. Sie können behutsam ausgeschlichen oder durch weniger prägende Alternativen (temporär) ersetzt werden.

Die Bedeutung einer strukturierten Tagesroutine

Ein weiterer entscheidender Faktor für erholsamen Schlaf ist eine strukturierte Tagesroutine. Der Spruch „Der Tag macht die Nacht“ trifft hier zu. Eltern sollten darauf achten, den richtigen Zeitpunkt zum Einschlafen zu wählen. Ist das Kind noch nicht müde genug, ist der sogenannte Schlafdruck zu gering, und das Kind wacht bald wieder auf oder bleibt nachts länger wach. Wird der Zeitpunkt hingegen zu spät gewählt, produziert das Kind vermehrt Cortisol, ein Stresshormon, das das Ein- und Durchschlafen erschwert. Bereits eine Anpassung von 15 bis 20 Minuten früher oder später kann hier oft einen großen Unterschied machen.

Die Abendroutine: Ein entspannter Übergang in den Schlaf

Abgerundet werden die Elemente der Einschlafhilfen und Tagesstruktur mit einer starken Abend- bzw. Schlafroutine, die sowohl beim klassischen Nachtschlaf als auch in abgespeckter Form bei den Tagschläfchen angewendet werden sollte. Babys und Kinder haben ein großes Bedürfnis nach Vorhersehbarkeit und Struktur. Eine liebevolle und ruhige Abend- bzw. Schlafroutine befriedigt dieses Bedürfnis und macht den Schlaf für das Kind vorhersehbar. Eine weitere Funktion dieser Routine ist es, das Kind sanft in den „Sinkflug“ Richtung Nachtruhe zu begleiten. Eine solche Abend- bzw. Schlafroutine ist stark vom Alter des Kindes abhängig und verändert sich somit im Laufe der ersten Lebensjahre stetig. Bei kleinen Babys reicht eine kurze Schlafroutine, in die eine Spieluhr, ein Lied oder eine Massage eingebaut werden könnte. Bei älteren Kindern könnten neben der klassischen „Gute-Nacht-Geschichte“ auch Sticker-, Magnetbücher oder Steckspiele Anwendung finden. Ist das Kind bereits in der Autonomiephase angekommen, ist es ratsam, es möglichst viel mitentscheiden zu lassen, z. B. welchen Schlafanzug es anziehen möchte. Wichtig ist, dass die Abendroutine nicht zu lange dauert, leicht umsetzbar sowie kontinuierlich eingesetzt wird.

Schlafverbesserung: Kleine Änderungen, große Wirkung

Schlaf ist und bleibt eine Herausforderung für Eltern – besonders im ersten Lebensjahr. Ein Schlafcoaching kann Eltern unterstützen, die die Schlafsituation ihrer Babys oder Kleinkinder sanft und bedürfnisorientiert verbessern möchten. Der Schlafcoach analysiert die bestehende Schlafroutine und Tagesabläufe, identifiziert problematische Einschlafhilfen und entwickelt gemeinsam mit den Eltern einen maßgeschneiderten Plan zur schrittweisen Anpassung in kleinen, sanften und liebevollen Schritten, um die optimalen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Claudia Hond ist Zweifach-Mama, wohnhaft in München, ausgebildeter Schlafcoach für Babys und Kleinkinder und Gründerin von Sleepy Lion Schlafcoaching.

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