21.09.20 – BDKH

Marken, Mitglieder und Möglichkeiten

Wie geht es der Branche momentan? Gibt es einen Babyboom? Welche Trends zeichnen sich ab? Auskunft darauf geben der Bundesverband Deutscher Kinderausstattungs-Hersteller e. V. (BDKH) und seine Mitglieder.

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BDKH-Geschäftsführer Michael Neumann © BDKH

 

Das Jahr 2020 werden wir als „Corona-Jahr“ weltweit so schnell nicht wieder vergessen. Bleibt zu hoffen, dass der Alltag im Laufe des kommenden Jahres wieder weitgehend „virenfrei“ verläuft und der Branche als positiver Nachbrenner wenigstens ein kleiner Babyboom beschert wird. Einig sind sich die Experten darüber allerdings noch nicht.

Mehr Kontakt zum Kunden durch Corona
Die Hersteller waren im Corona-Jahr noch näher am Kunden als sonst, bedingt durch den Wegfall von Messen und dem zeitweisen Lockdown des stationären Handels. Silvia Emge, Vorstandsmitglied des BDKH und Marketingleitung der Rotho Babydesign GmbH, betont: „Der Kontakt zum Endverbraucher war immer schon sehr wichtig. Diesen führen wir zunehmend über Online-Maßnahmen. Aber immer auch über die Messen. In Corona-Zeiten konzentrieren sich die Aktivitäten natürlich noch mehr auf Social Media und generell den Online-Kanal.“

„Die Hersteller haben während des Lockdown natürlich gelitten“, erklärt Michael Neumann, Geschäftsführer des BDKH. „Die Verlagerung hin zum eCommerce konnte den stationären Umsatzverlust nicht wettmachen. Seit der Öffnung des Einzelhandels findet eine Erholung statt. Die Bedarfsdeckung funktioniert wieder. Was nun noch fehlt ist die Freude am Einkaufen. Insgesamt bleibt zu hoffen, dass sich die Maßnahmen des Konjunkturpakets, z. B. der Kinderbonus oder die Mehrwertsteuersenkung, positiv auf das Konsumklima auch in unserer Branche auswirken.“

Ungewisse Spätfolgen der Pandemie
Christian Wolf, Kaufmännischer Direktor Deutschland & Österreich bei Artsana/Chicco, sieht bereits eine „rasante Erholung“ bei den Umsätzen seines Unternehmens. „Wir machen in unseren eigenen Produktionsstandorten zusätzliche Schichten und erhöhen das Personal, was vor dem Hintergrund von Kurzarbeit eine Herausforderung darstellt.“
  
Auch Britax Römer hat im Bereich Kindersitze und Kinderwagen nach dem Lockdown einen merklichen Aufschwung registriert, wie Dr. Alessandro Zanini, Vorstandsvorsitzender des BDKH und Sales Director Central Europe, berichtet: „Die Zahlen haben sich ausgesprochen gut erholt. Dank auch unterstützender Maßnahmen wie z. B. Kurzarbeit in der Lockdown-Phase dürfte man vorerst mit einem ‚blauen Auge‘ davongekommen sein. Der Fachhandel – auch stationär – hat sich bewährt. Die mittelfristigen Auswirkungen sind aber auch in unserer Branche noch unbestimmt. Ein zweiter Lockdown würde verheerende Folgen haben.“

Wie sind die Perspektiven?
„Wenn die Pandemie unter Kontrolle bleibt, erwarten wir für 2021 ein Wachstum“, so Zanini. „Wie groß dieses sein wird, hängt von den mittelfristigen Folgen in der Gesamtkonjunktur ab.“ Auch Michael Neumann setzt auf das kommende Jahr: „Unsere Mitglieder sind zuversichtlich, dass 2021 ein deutlich besseres Jahr wird als das jetzige.“ Allerdings seien Prognosen, ob und wie sich Corona auf hochpreisige Produktgruppen wie Kinderwagen, Möbel oder Autositze auswirke und wie sich der Second-Hand Markt entwickle, schwierig. „Auch hier ist Flexibilität gefragt: Niemand kann wirklich voraussagen wohin der Markt und das Konsumverhalten gehen werden. Es wird darauf ankommen, schnell auf Veränderungen reagieren zu können.“

Christian Wolf rechnet mit einer langsamen Erholung der Wirtschaft, warnt jedoch vor den Spätfolgen der Pandemie. „Man muss davon auszugehen, dass uns die größeren Auswirkungen auf das Konsumverhalten noch bevorstehen. Die tatsächlichen wirtschaftlichen Schäden durch Geschäftsschließungen, Arbeitslosigkeit, Exporteinbruch und mehr sind noch nicht abzusehen. Natürlich würden wir uns wünschen, dass schnellstmöglich ein Impfstoff oder Heilmittel zur Verfügung steht, aber vor Ende 2021 ist damit – wenn überhaupt – nicht zu rechnen. Vor diesem Hintergrund wird sich wohl das stationäre Kaufverhalten den Gegebenheiten anpassen und der Trend zum Online-Kauf ungebrochen sein.“

Neuer Fokus auf „Made in Europe“
Man werde wieder mehr Prozesse wie etwa die Produktion nach Europa verlagern, um auch direkt darüber entscheiden zu können, fährt Christian Wolf fort. „Aber: Es hat Jahrzehnte gedauert, die bestehenden Strukturen zu etablieren und zu optimieren. Dennoch gehen wir davon aus, dass ‚Made in Europe‘ wieder einen höheren Stellenwert bekommen wird. Wir denken auch darüber nach, den ‚Eigenvertrieb‘, etwa Web-Shop oder Drop Shipment zu stärken bzw. aufzubauen, um etwas unabhängiger von globalen Entwicklungen zu werden.“ Dr. Alessandro Zanini, Vorstandsvorsitzender des BDKH und Sales Director Central Europe von Britax Römer, sieht kein Ende der Globalisierung durch die Pandemie. „Dies ist aus meiner Sicht übertrieben. Sicher ist, dass die Globalisierung kurz- und mittelfristig ‚stagnieren‘ wird.“

Mit welchen Erkenntnissen gehen wir aus diesem Jahr?
„Ich glaube wir alle haben gelernt, in welchem Ausmaß unsere Wirtschaft und unser Wohlstand mit der Globalisierung verknüpft sind. Und auch wie fragil dieses auf Gewinnmaximierung, Effizienz und ‚just-in-time‘ getrimmte Gebilde letztendlich ist. Sicher werden die allermeisten Unternehmen daraus Konsequenzen ziehen“, so das Resümee von Michael Neumann. „Kürzere Wege von der Produktion bis zum Konsumenten können Reaktionszeiten verkürzen, Risiken minimieren und gleichzeitig gut fürs Klima sein. Da tun sich für die Unternehmen nicht nur Herausforderungen und Hürden, sondern vor allem auch neue Chancen auf! Wer schnell und agil ist, wird sich einen Vorteil verschaffen gegenüber der Konkurrenz und aus dem Wandel heraus seine Position stärken.“

Krise macht kreativ
Positiv habe sich Corona auf die Preissituation ausgewirkt, stellt Silvia Emge fest. „Die aggressiven Preiskriege im Netz blieben in den letzten Monaten aus. Es wäre wünschenswert, wenn der Handel dies auch künftig beachten würde. Zeigt es doch, dass der Verbraucher viel weniger preisorientiert ist, als angenommen wird.“
  
„Der Handel ist einen wichtigen Schritt in Richtung ‚Multichannel‘ gegangen“, hat Dr. Alessandro Zanini beobachtet, „und dies ist definitiv auch etwas Positives, was die Krise mit sich gebracht hat. Schön zu sehen ist auch, wie viele ‚Aufstehmännchen‘ es in unserer produktiven Gesellschaft gibt! Krise macht manchmal auch stark und kreativ.“