21.12.20 – Offener Brief von BTE-Präsident Steffen Jost

„Schnelles Ausreichen von Hilfen“

Die Schließung der Modehändler im zweiten Lockdown wird neben erheblichen Umsatzausfällen auch das Warenproblem nochmals deutlich verschärfen. BTE-Präsident Steffen Jost wendet sich mit einem offenen Brief an die Branche.

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BTE-Präsident Steffen Jost hofft auf die Rückkehr zur Normalität im nächsten Jahr. © BTE

 

Nach Berechnungen der Handelsverbände Textil (BTE), Schuhe (BDSE) und Lederwaren (BLE) wird der stationäre Fashionhandel durch den jetzigen Lockdown nochmals rund 6 Mrd. Euro an Umsatz verlieren. Weitere Berechnungen der drei Handelsverbände haben ergeben, dass sich bis zum voraussichtlichen Schließungsende am 10. Januar nächsten Jahres ein Berg von 300 Mio. Teilen unverkaufter Modeartikel auftürmen wird.
   
Erschwerend hinzu kommt, dass die Lager der Modehändler bereits mit unverkäuflicher Frühjahrsware noch gut gefüllt sind. „Für viele Unternehmen unserer Branche wird dies ein Schicksalsschlag sein, von dem sie sich nur schwerlich oder sogar überhaupt nicht mehr erholen werden können“, berichtet BTE-Hauptgeschäftsführer Rolf Pangels. BTE-Präsident Steffen Jost richtet nun kurz nach Beginn der Schließungen einige Worte an die Modebranche:

Offener Brief von BTE-Präsident Steffen Jost

„Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Corona-Pandemie hat der gesamten Fashion-Branche ein katastrophales Jahr beschert. Ausbleibende Umsätze in den Schließungswochen, einbrechende Umsätze danach, zu hohe Lager, zu hohe Abschriften und zu hohe Kosten! Liquiditätsprobleme und Rentabilitätsprobleme sind das traurige Ergebnis.

Dies alles ist eine Mischung, die die Existenz vieler Firmen bedroht und allen Unternehmern allergrößte Sorge bereitet. Die Politik verspricht Hilfe, nur in den allermeisten Fällen kommt diese Hilfe nicht an oder sie entspricht nicht den tatsächlichen Bedürfnissen. Der zweite Shutdown wirft nun erneut unter verschärften Bedingungen die Frage der staatlichen Unterstützung auf. Die neuerlichen Versprechen und Ankündigungen der Politik hören sich deutlich besser an als zuvor, aber sie grenzen auch zahlreiche Unternehmen fälschlicherweise aus oder aber machen den Erhalt von Unterstützung von vielen Vorbedingungen abhängig. Diese zu erfüllen kostet Geld, aber vor allen Dingen Zeit und Zeit haben viele Unternehmen nicht.
  
Der HDE und auch der BTE fordern deshalb neben der Tatsache, dass inhaltlich noch vieles nachzujustieren ist, vor allem ein schnelles Ausreichen von Hilfen, sonst kommen diese Hilfen für viele Unternehmen zu spät. Am Beispiel der Hilfen für die Gastronomie und Hotelbranche ist das Versagen der Politik zu beobachten.

Allen Verantwortlichen, Hauptamtlichen wie Ehrenamtlichen in den Landesverbänden, dem HDE in Berlin und auch in den Fachverbänden muss an dieser Stelle gedankt werden für den unermüdlichen Einsatz der letzten Wochen und auch Monate. Die extreme Arbeitsbelastung kannte da auch keine Feiertage und Wochenenden. Ohne das große Engagement gäbe es nur einen Bruchteil der Leistungen für den Handel, auch wenn man mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein darf.

In dieser Krise stellen wir fest, wie wichtig die Interessensvertretung durch die Verbände ist, die im Übrigen auch durch die Politik gefordert ist. Mit Einzelunternehmen in der Kommunikation wäre die Politik heillos überfordert, Partikularinteresse zu befriedigen ist auch nicht das Ziel. Um so unverständlicher ist, dass gerade in unserer Branche die Unterstützung der Verbände und damit auch der wichtigen Lobbyarbeit von vielen als unnötig angesehen wird. Dies gilt für Großunternehmen, aber auch für mittlere und kleinere Betriebe.

Wenn Verbandslobby unnötig wäre, hätte auch die Automobilindustrie keinen Verband, die großen Lebensmittelkonzerne wären nicht im HDE und vieles mehr. Das Gegenteil ist aber der Fall, aus gutem Grund, nur zum Nulltarif gibt es das nicht! Gerade der Handel braucht eine starke Vertretung in Berlin und in den Ländern, weil traditionell der Handel bei der Politik ein geringes Ansehen hat. Die Leistung des Handels hat sich der Politik noch nie erschlossen, diese Fehleinschätzung hat bereits historische Wurzeln.

Vor dem Hintergrund der Pandemie und den existenziellen Nöten des Handels bereiten wir uns nun auf die Orderrunde Herbst/Winter 2021 vor. Es ist Zeit, an die zu denken, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten Partner des Handels waren und auch an die, die nur ihr eigenes Unternehmen im Blick hatten. Honorieren wir das durch entsprechende Orders oder entsprechend deutliche Minderungen dieser. Hoffen wir auch, dass wir im Laufe des neuen Jahres wieder zur Normalität zurückkehren können. Übertriebener Optimismus ist sicher fehl am Platze, gefragt ist vielmehr solide und vorsichtige kaufmännische Handlungsweise.

Trotz aller Sorgen und aktueller Probleme wünsche ich im Namen des BTE Ihnen und Ihren Mitarbeitern schöne Festtage. Halten Sie durch, der Modehandel wird auch 2021 noch gebraucht werden und starten Sie gut und gesund in das hoffentlich erfolgreiche neue Jahr.“

Steffen Jost

BTE-Präsident